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Haushaltsdebatte im Bundestag

Thema: Rede

Mittwoch, 06. September 2023

Bei der Generaldebatte im Deutschen Bundestag stellte Kulturstaatsministerin Claudia Roth zentrale kulturpolitische Vorhaben im Haushalt 2024 vor. Neben einer Fortsetzung des „KulturPass“ warb Roth dort unter anderem für mehr Nachhaltigkeit in der Kultur sowie eine Stärkung der Erinnerungskultur, die auch die Einwanderungsgesellschaft mehr in den Blick nimmt.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei der Haushaltsdebatte am 6. September 2023

Kulturstaatsministerin Roth: "In einer Zeit, die geprägt ist von Krisen, von Konflikten, von Krieg braucht es Kunst und Kultur mehr denn je."

– Es gilt das gesprochene Wort –

Kreativität, Fortschritt, Freiheit, Offenheit, Menschlichkeit – all das ist Kultur, ist die Grundlage unseres Zusammenlebens. Als ich an dieser Stelle meine erste Haushaltsrede als Staatsministerin für Kultur und Medien hielt, war der Krieg gegen die Ukraine einen Monat alt. In der Zwischenzeit sind 560 Tage und Nächte brutalen Tötens und systematischen Zerstörens vergangen. Eineinhalb Jahre Krieg gegen die Ukraine, Krieg gegen eine offene und demokratische Gesellschaft, Krieg gegen ihre Kultur.

Aber wir sind nicht machtlos. Wir sind nicht schwach. Unsere Stärke hat Namen: Freiheit und Solidarität. Es ist das Privileg von Demokratinnen und Demokraten, anderen im Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung zur Seite zu stehen, und genau das tun wir.

Als Kulturstaatsministerin kämpfe ich für die Kultur und ebenso für die Kultur der Demokratie, heute mehr denn je. Denn es geht um die Freiheit der Kunst, um die Freiheit der Kreativität. Eine offene Gesellschaft lebt von Kreativität, lebt von widerstreitenden Ideen, und dafür brauchen wir die Vielfalt der ganzen Gesellschaft, brauchen wir Diversität, brauchen wir Respekt und Wertschätzung füreinander. Eine solche Kulturpolitik wird auch Widerspruch aushalten können und aushalten müssen.

Unbedingt dazu gehört Teilhabe. Teilzuhaben an kulturellen, an gesellschaftlichen, an politischen Entwicklungen und Entscheidungen – das ist die demokratische Kulturpolitik, für die wir stehen.

Teilhabe bedeutet: Barrieren niederreißen und rein ins Leben. Das wollen wir gerade für die junge Generation. Wer ins eigenständige Leben startet, will sich umtun, will ausprobieren, will kennenlernen. Das will der KulturPass allen ermöglichen, die in diesem Jahr 18 Jahre alt werden. Und er ist jetzt schon ein Erfolg. Es haben sich viele tausend Nutzer und Nutzerinnen registriert. Diesen Erfolg wollen wir gemeinsam fortsetzen, und dafür werbe ich bei Ihnen.

Ja, die Rahmenbedingungen sind schwierig, gerade auch für die Kultur. Doch wir als Bundesregierung haben unter widrigen Bedingungen viel für die Kultur erreicht; auch dafür geht mein Dank an den Finanzminister.

Wir haben gelernt und gehandelt. Eine Lehre aus der Corona-Zeit war, das hervorragende zivilgesellschaftliche Engagement gerade der freien Kulturszene zu stützen. Deswegen haben wir die Förderung der Bundeskulturfonds auf fast 34 Millionen Euro heraufgesetzt.

Wir sorgen für Kontinuität und Stabilität bei unseren Einrichtungen; denn gerade in Zeiten der Unsicherheit sind öffentliche Kulturinstitutionen Orte der Begegnung, Orte der Vergewisserung, Orte des Austauschs und der Vielfalt – geschützte Räume. Sie sollen Leuchttürme sein, die den Weg in eine gute Gesellschaft weisen. Neben vielen anderen Einrichtungen wird die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit zusätzlich 4 Millionen Euro für den Betriebshaushalt in ihrem wichtigen und notwendigen Reformprozess begleitet und gefördert.

Wir stärken die Deutsche Welle in ihrem Kampf gegen Desinformation und Propaganda mit zusätzlichen 10 Millionen Euro, und wir stellen sicher, dass die Kulturstiftung des Bundes der wichtige kreative Anker in unserem Land bleibt.

Kultur ist auch Erinnerung. Ohne Erinnerung gibt es keine Kultur, sagt uns Elie Wiesel. Ohne sie gibt es keine Zivilisation, keine Gesellschaft und keine Zukunft.

Deswegen bauen wir die Förderung der unverzichtbaren Arbeit der Gedenkstätten aus. Wie unverzichtbar sie ist, wird gerade in diesen Tagen deutlich. Es geht darum, Verantwortung zu erkennen, Verantwortung anzunehmen. Es geht nicht um Abbitte und Absolution.

Nur wer auch in die Abgründe der eigenen Geschichte blickt, wird die Herausforderungen der Gegenwart erkennen. Das sage ich mit Blick auf die aktuelle Debatte um die Reform der Beratenden Kommission, der sogenannten Limbach-Kommission. Hier wollen wir deutlich weiter gehen, als die Vorgängerregierungen das getan haben; denn es geht um faire und gerechte Lösungen vor dem Hintergrund des Menschheitsverbrechens der Shoah. Zur Erinnerungskultur, für die wir uns unvermindert intensiv einsetzen – und das ist ein echtes Herzensanliegen von mir –, gehört selbstverständlich auch die Auseinandersetzung mit dem SED-Unrecht. Und wir widmen uns verstärkt unserer kolonialen Vergangenheit und den blinden Flecken in unserem kollektiven Gedenken daran.

Aber erinnern müssen und wollen wir auch an die rassistischen Mordtaten der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart. Vom Brandanschlag auf ein jüdisches Altenheim in München 1970 über Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen, den NSU, die Anschläge von Halle und Hanau bis zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zieht sich die Spur des rassistischen Terrors durch Deutschland. Wir könnten nicht von Erinnerungskultur sprechen, würden wir diese Taten, würden wir diese Opfer verschweigen. Das ist moderne Erinnerungskultur in einer Einwanderungsgesellschaft, aus der eine bessere gemeinsame Zukunft wachsen kann.

Eine der größten Herausforderungen, vor der wir weltweit stehen, ist die Klimakrise; wir sehen die dramatischen Ereignisse in Griechenland in den letzten Stunden. Die Klimakrise wird mehr und mehr zur Überlebensfrage dieses Jahrhunderts. Es geht uns daher darum, auch in der Kulturpolitik die Rahmenbedingungen für eine Kultur der Nachhaltigkeit, für eine Ästhetik der Nachhaltigkeit zu schaffen. Denn die Klimakrise geht uns alle an, und ich bin sehr froh, und es ist sehr gut, dass die Anlaufstelle Green Culture jetzt ihre Arbeit aufnimmt.

In einer Zeit, die geprägt ist von Krisen, von Konflikten, von Krieg braucht es Kunst und Kultur mehr denn je. Kunst und Kultur sind kein Luxus, den man sich nur in guten Zeiten leisten kann. Sie sind die Stimme, sie sind der Sound unserer Demokratie. Deswegen bitte ich Sie um Unterstützung für unseren Haushaltsentwurf.

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